AG Traunstein, Urteil vom 16. Dezember 1998, 310 C 1785/98

AG Traunstein, Urteil vom 16. Dezember 1998, 310 C 1785/98

Stornierungsgebühren – Flugreiseantritt in der Reiserücktrittskostenversicherung

Gericht

AG Traunstein


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

16. 12. 1998


Aktenzeichen

310 C 1785/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine Reise, d.h. die gebuchte und versicherte Reiseleistung ist angetreten, wenn eine der gebuchten Reiseleistungen ganz oder teilweise in Anspruch genommen wird.

  2. Bei einer Flugreise beginnt der Reiseantritt mit dem Einchecken des Gepäcks, bei sonstigen Reisen mit dem Betreten des Beförderungsmittels.

  3. Verläßt ein Reiseteilnehmer nach dem Einchecken und Betreten des Flugzeugs das Flugzeug wieder, so liegt ein Reiseabbruch vor. Bei Reiseabbruch bietet die vereinbarte Reiserücktrittskostenversicherung Deckungsschutz für zusätzliche Rückreisekosten, sofern solche entstanden sind und nachgewiesen werden.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. hatte mit seiner Familie einen Flug in die Karibik für insgesamt 7650 DM gebucht und für diese Reise bei der Bekl. eine Reiserücktrittskostenversicherung für 103 DM abgeschlossen. Am Tag des Reiseantritts checkte die Familie am Flughafen München ein. Beim Betreten des Flugzeugs erlitt die Ehefrau des Kl. einen schwangerschaftsbedingten Kreislaufkolaps, der einen Angstanfall zur Folge hatte. Infolge dessen mußte der Kl. mit seiner Familie das Flugzeug wieder verlassen und konnte die Reise nicht mehr durchführen. Der Kl. ist der Meinung, daß die Bekl. die Reisekosten zu erstatten haben.

Die Klage auf Zahlung von 7753 DM hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Bekl. ist weder nach § 1 noch nach § 5 ihrer Allgemeinen Vertragsbedingungen verpflichtet, dem Kl. den Wert der nicht genutzten Reiseleistung zu erstatten. Einen Komplettschutz, bei dem die Bekl. gegen eine Zusatzprämie bei einem Reiseabbruch den Wert der nicht genutzten Reiseleistung ersetzt, hat der Kl. nicht abgeschlossen.

Die Voraussetzungen nach § 1 AVB sind nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung sind bei Nichtantritt der Reise die vertraglich geschuldeten Stornokosten aus dem versicherten Reisearrangement versichert. Der Kl. hat jedoch mit seiner Familie die Reise bereits angetreten. Es sind deshalb auch nicht nur Stornokosten angefallen, sondern der gesamte Reisepreis verfallen. Die Reise, d.h. die gebuchte und versicherte Reiseleistung ist angetreten, wenn eine der gebuchten Reiseleistungen ganz oder teilweise in Anspruch genommen wird. Bei einer Flugreise beginnt der Reiseantritt nach h.M. mit dem Einchecken des Gepäcks, bei sonstigen Reisen mit dem Betreten des Beförderungsmittels (LG Hannover, NJW-RR 1996, 602; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. [1998], § 1 ABRV Rdnr. 3 m.w. Rspr.-Hinw.; van Bühren/Nies, Reiseversicherung, 2. Aufl. [1992], § 1 ABRV Rdnr. 7). Im vorliegenden Fall hatte der Kl. mit seiner Familie nicht nur am Flughafen bereits eingecheckt, sondern das Flugzeug auch schon betreten. Es kann daher kein Zweifel bestehen, daß es sich hier nicht um einen Nichtantritt der Reise, sondern um einen Abbruch der Reise handelte.
Zur Anwendung kommt daher § 5 AVB. Nach dieser Bestimmung erstattet die Bekl. bei Abbruch der Reise die nachweislich entstandenen zusätzlichen Rückreisekosten, sofern An- und Abreise mitgebucht und versichert sind. Solche Kosten sind dem Kl. jedoch nicht entstanden, weil ein Rücktransport wegen des Abbruchs der Reise schon am Heimatflughafen nicht erforderlich geworden ist.

Es liegt auch keine überraschende Versicherungslücke vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden müßte. Aus §§ 1 und 5 AVB wird eindeutig ersichtlich, was versichert ist, nämlich in § 1 die vertraglich geschuldeten Stornokosten, die, wie jedermann weiß, nur in Frage kommen, wenn von der Reise vor deren Antritt zurückgetreten wird, und in § 5 die zusätzlichen Rückreisekosten, wenn die Reise abgebrochen werden muß. Daß die Versicherungslücke nicht überraschend ist, ergibt sich auch daraus, daß in den AVB unter dem Abschnitt Komplettschutz selbst geregelt ist, wie die Versicherungslücke geschlossen werden kann, nämlich dadurch, daß sich der Reisende ergänzend zur Reiserücktrittskostenversicherung gegen eine Zusatzprämie dafür versichert, daß er bei Reiseabbruch den Wert der nicht genutzten Reiseleistung ersetzt erhält.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

ABRV § 1