BAG, Beschluss über Nichtzulassungsbeschwerde vom 23. Februar 2010, 9 AZN 540/09

BAG, Beschluss über Nichtzulassungsbeschwerde vom 23. Februar 2010, 9 AZN 540/09

Das Bundesarbeitsgericht zur Kanzleiorganisartion: Grundsätzlich muss mit einer Vorfrist gearbeitet werden

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Beschluss über Nichtzulassungsbeschwerde


Datum

23. 02. 2010


Aktenzeichen

9 AZN 540/09


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. April 2009 – 4 Sa 649/08 – Wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 13.333,33 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe

I. Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche, Ansprüche auf Auskunft sowie Rückgabe von Büroeinrichtungsgegenständen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil teilweise stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und insbesondere die Klage hinsichtlich der Honoraransprüche im Übrigen abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie verspätet begründet worden ist.

1. Nach § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG muss die Beschwerde innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils begründet werden. Das anzufechtende Urteil wurde dem Kläger am 13. Mai 2009 zugestellt. Die Frist zur Begründung der Beschwerde endete damit am 13. Juli 2009. Die Beschwerdebegründung des Klägers ging erst am 14. Juli 2009 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist bei Gericht ein.

2. Für die verspätete Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kommt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.

a) Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist einzuhalten. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden einer Partei gleich. Wurde ein Bevollmächtigter tätig, muss der Antragsteller einen Geschehensablauf vortragen, der ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweifelsfrei ausschließt. Die anwaltliche Sorgfaltspflicht verlangt, in Fristsachen das Möglichste zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und der Behandlung von Fristen auszuschließen (BAG 8. Mai 2008 – 1 ABR 56/06 – Rn. 15, BAGE 126, 339).

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

aa) Der Kläger beruft sich darauf, die Büroleiterin habe im Fristenkalender entgegen seiner Anweisung nicht den 13. Juli 2009 als Fristablauf, sondern den 15. Juli 2009 notiert, weil der 13. Juni 2009 ein Samstag gewesen sei. Die Fristversäumung sei daher nicht verschuldet. Die Büroleiterin trage eine Woche vor Ablauf der Frist eine Vorfrist ein, jeweils mit einem auffälligen Hinweis (zB “Beschwerdebegründungsfrist”. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt erhalte wöchentlich eine Liste, in der sämtliche Vorfristen sowie ablaufende Fristen vermerkt seien. Zusätzlich werde bei Ablauf der Vorfrist die Sache dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mit einem auffälligen Vermerk “Fristsache” gesondert vorgelegt.

bb) Der Kläger legt nicht dar, weshalb ihm bei Vorlage der Akte zum Ablauf der Vorfrist die fehlerhafte Fristeintragung durch die Büroleiterin ohne sein Verschulden nicht aufgefallen war. Zur ordnungsgemäßen Organisation einer Anwaltskanzlei gehört die allgemeine Anordnung, bei Prozesshandlungen, die ihrer Form und ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordern, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine Vorfrist zu notieren. Die Vorfrist dient dazu sicherzustellen, dass auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist verbleibt (BGH 17. Februar 2009 – VI ZB 33/07 – zu II 2 a der Gründe; 30. Oktober 2001 – VI ZB 43/01 – zu II 2 der Gründe, NJW 2002, 443). Wäre dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt die Akte innerhalb der Vorfrist und damit rechtzeitig vor Fristablauf vorgelegt worden, hätte er die unrichtige Eintragung der Frist feststellen müssen und die Beschwerdebegründungsfrist wahren können.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Fristversäumung auf einer Pflichtwidrigkeit des Klägers beruht. Die nachgesuchte Wiedereinsetzung ist deshalb zu versagen.

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.


Düwell
Gallner
Krasshöfer

Vorinstanzen

LAG München, 4 Sa 649/08

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht