LG Berlin, Urteil vom 18. März 2003, 27 O 1061/02

LG Berlin, Urteil vom 18. März 2003, 27 O 1061/02

Darlegungs- und Beweislast für Unterlassungs- und Richtigstellungsforderung, Voraussetzungen eines Anspruches auf Geldentschädigung, Begriff „Interview” (Fall: Ehemann von Uschi Glas)

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 03. 2003


Aktenzeichen

27 O 1061/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Weist ein mit einem Journalisten geführtes Gespräch auch privat anmutende Inhalte auf, so hat im Unterlassungsverfahren der veröffentlichende Verlag darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass es sich um ein zu veröffentlichendes Interview handelte und der Interviewte in dessen Veröffentlichung eingewilligt hat.

  2. Macht der Kläger auch Richtigstellungs- bzw. Widerrufsansprüche geltend, so kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um. Er muß in diesem Fall darlegen und beweisen, dass er kein “Interview” geführt hat. Bloßes unsubstantiiertes Bestreiten von Gesprächsinhalten ist insofern nicht ausreichend.

  3. Bei einer im Rahmen einer redaktionellen Anmerkung zu einer Gegendarstellung veröffentlichten Äußerung ist bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht nur auf den Wortlaut oder die lexikalische Bedeutung sondern auch auf den Gesamtzusammenhang abzustellen, in welchem die redaktionelle Anmerkung veröffentlicht wird.

  4. Wortidentische Unterlassungsansprüche können unter dem Gesichtspunkt der “doppelten Rechtshängigkeit’ nicht mit verschiedener inhaltlicher Begründung geltend gemacht werden.

  5. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung setzt eine “schwere” Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Diese liegt nicht vor, wenn der Anspruchsteller seine Privatsphäre zuvor öffentlich gemacht hat, die beanstandete Berichterstattung nicht diskriminierend ist und die Inhalte einer breiten Öffentlichkeit aus anderweitigem Zusammenhang schon bekannt sind.

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere in Ansehung der Beklagten zu 1. zu vollziehen am Geschäftsführer, zu unterlassen

a) zu verbreiten,

dass … ein Interview gegeben habe, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:

aa) Exklusiv-Interview … Warum ich … verlassen habe … Jetzt spricht der Ehemann (Titelseite …);

bb) … hat all die Monate eisern geschwiegen. Jetzt spricht er zum ersten Mal, exklusiv in …;

cc) … (Unterzeile zu dem in … auf S. 92 f. abgedruckten Beitrag mit der Überschrift “Warum er sich nicht für einen Betrüger hält”).

b) die Antworten zu verbreiten, mit denen Herr … auf die folgenden Fragen in … zitiert wird:

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 19/27 und die Beklagten je 4/27. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten je 4/27. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger 19/23. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

4. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger war … . Das Ehepaar trennte sich zu Beginn des Jahres 2002. Die Beklagte zu 1) ist Verlegerin der …, in deren Ausgabe Nr. 30/02 vom 18. Juli 2002 ein als “Exklusiv-Interview” bezeichnetes Gespräch des Klägers mit dem Beklagten zu 2) erschien, in dem die Hintergründe der Trennung zur Sprache kamen.

Das Interview wurde auf der Titelseite wie folgt angekündigt: …

Nochmals im Inhaltsverzeichnis wie folgt: …

In dem nachfolgend in Fotokopie wiedergegebenen Artikel heißt es dann u.a. wie folgt: …

Der Kläger erwirkte im Verfahren – 27.O.704/02 vor der Kammer wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung eine Unterlassungsverfügung. Vor dem Landgericht München – 9.O.13425/02 – und dem Oberlandesgericht München – 21.U.4829/02 – setzte er den Abdruck einer Gegendarstellung durch, die dann auf der Titelseite der Ausgabe Nr. 47/02 wie folgt abgedruckt wurde: …

und im Innenteil die nachfolgend in Fotokopie wiedergegebene redaktionelle Anmerkung enthielt: …

Mit der Klage begehrt der Kläger Unterlassung, Richtigstellung und Geldentschädigung wegen der beanstandeten Berichterstattung in den … Ausgaben Nr.30 und 47/02.

Er behauptet, er habe einer Veröffentlichung des am 10. Juli 2002 geführten Gesprächs nicht zugestimmt. Er habe sich zwar in der Vergangenheit verschiedentlich mit dem Beklagten zu 2), mit dem er persönlich bekannt sei, am Telefon unterhalten. Auf Fragen zu seiner Ehe habe er jedoch stets abwehrend reagiert und allenfalls oberflächliche, kurze Bemerkungen wie die, dass man unterschiedlicher Meinung sei, gemacht. Aus diesen Versatzstücken sei dann das von der Beklagten zu 1) veröffentlichte vermeintliche Interview zusammengesetzt worden. Sämtliche zitierten Äußerungen beträfen seine Privat- und Intimsphäre. … Angesichts der Schwere der Persönlichkeitsverletzung und der weiten Verbreitung, die die intimen Details seiner Ehe aufgrund der Unlauterkeit der Beklagten auch durch andere Presseorgane gefunden hätten, hält er eine Geldentschädigung von mindestens 30.000 € für angemessen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere in Ansehung der Beklagten zu 1. zu vollziehen am Geschäftsführer, zu unterlassen

a) zu verbreiten,
dass … ein Interview gegeben habe, insbesondere, wenn dies wie folgt geschieht:

aa) “Exklusiv-Interview … Jetzt spricht der Ehemann” (Titelseite …);

bb) “… hat all die Monate eisern geschwiegen. Jetzt spricht er zum ersten Mal, exklusiv in …;

cc) “…” (Unterzeile zu dem in … abgedruckten Beitrag mit der Überschrift “Warum er sich nicht für einen Betrüger hält”).

b) die Antworten zu verbreiten, mit denen Herr … auf die folgenden Fragen in … zitiert wird: …

2. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am Geschäftsführer, zu unterlassen

a) den Eindruck zu erwecken, Herr … habe sich mit der Äußerung …

und zwar durch die Berichterstattung …

b) den Eindruck zu erwecken, Herr … habe vor der Veröffentlichung des Inhalts des am 10.07.02 mit Herrn … geführten Telefongesprächs Kenntnis davon gehabt, dass von dem Telefongespräch ein Tonbandmitschnitt gemacht worden war,

und zwar durch die Berichterstattung …

3. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, in der nächsten nach Rechtskraft der Entscheidung für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe von … auf der Titelseite (unten links auf einer Fläche von 12,5 cm x 5,2 cm; Überschrift “Richtigstellung” nicht kleiner als … in der Erstmitteilung) die folgende Richtigstellung abzudrucken:

“Richtigstellung
Auf der Titelseite der … Nr. 30/02 vom 18. Juli 2002 hieß es: …

Hierzu stellern wir richtig: Herr … hat … kein Interview gegeben. …”

4. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, in der nächsten nach Rechtskraft der Entscheidung für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe von … zwischen den Seiten 92 und 125 in einer der Erstmitteilung entsprechen optischen Aufmachung die folgende Richtigstellung abzudrucken:

“Richtigstellung …”

5. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger eine Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die € 30,000,- jedoch nicht unterschreiten soll.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. …

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist bezüglich des Antrags zu 2. a) unzulässig. Die hier beanstandete Interviewpassage ist gänzlich im das gesamte Interview umfassenden Antrag zu 1 b) enthalten. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die mehrfache Untersagung ein- und derselben Äußerung unter jeweils verschiedenen Aspekten, hier einmal wegen Verletzung der Privatsphäre (so der Antrag zu 1)) und ein weiteres Mal wegen Hervorrufen eines falschen Eindrucks (so der Antrag zu 2.)) ist nicht gegeben. Im Hinblick darauf, dass der Unterlassungsanspruch des Klägers – wie unten erörtert – bezüglich des gesamten Interviewinhalts Erfolg hat, bedurfte es keines weiteren Unterlassungstitels bezüglich der hier streitgegenständlichen Passage.

II.

Die Klage ist nur im erkannten Umfang begründet; im Übrigen unbegründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagten det geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 1) beanstandeten Äußerungen gemäß §§ 823, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG zu.

Der Beklagte zu 2) ist entgegen der Ansicht der Beklagten als Autor des streitgegenständlichen Artikels … Störer und damit passivlegitimiert.

Die Preisgabe von Gründen, an denen die Ehe des Klägers mutmaßlich gescheitert ist, betrifft dessen Privatsphäre und ist deshalb grundsätzlich nur mit seiner Einwilligung erlaubt. Die Kammer hält an ihrer im parallelen Verfügungsverfahren – 27.O.704/02 – vertretenen Auffassung fest, wonach die Beklagten eine Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung des Telefongesprächs vom 10. Juli 2002 nicht hinreichend dargetan haben. Die Mitschrift des Telefongesprächs vom 10. Juli 2002, auf die sich die Beklagten berufen, gibt keinen Aufschluss darüber, dass der Kläger mit der Veröffentlichung seiner Antworten einverstanden gewesen sei. Von einer Veröffentlichung ist dort an keiner Stelle die Rede, schon gar nicht davon, dass es jetzt um das bereits versprochene Exklusiv-Interview gehe. Selbst wenn sich der Kläger dem Beklagten zu 2) gegenüber so wie von ihm behauptet geäußert haben sollte, läge auch in Anbetracht der Tatsache, dass ihm bewusst war, sich mit einem Journalisten zu unterhalten, in seinen Äußerungen kein konkludentes Einverständnis mit einer Veröffentlichung des Gesprächs. Unstreitig nämlich waren der Kläger und der Beklagte zu 2) persönlich miteinander bekannt und pflegten sich gelegentlich privat zu unterhalten. Der Inhalt der Mitschrift spricht auch eher für eine solche private Unterhaltung als für ein Interview. Dass es sich bei dem eher holprigen, wenig ergiebigen Gespräch, dessen Inhalt zumindest die Beschreibung als exklusiv kaum verdienen dürfte, um das Interview mit “einem der erfahrensten und korrektesten Interviewer in der Branche” handeln soll, ist kaum nachvollziehbar. Ob das Gespräch mit dem Beklagten zu 2) dem Kläger als “Therapieersatz” diente – wie vom mit dem Anlagenkonvolut B 2 zur Akte gereichten … gelobt -, sei dahingestellt; den aus dem Wortprotokoll ersichtlichen Gesprächsfetzen ist jedenfalls ein eher privater Charakter nicht abzusprechen. Auch hatte der Kläger in der Vergangenheit mehrfach erklärt, dass er sich über seine Ehe nicht öffentlich äußern wolle. Dass er hiervon ausgerechnet mit den im Gesprächsprotokoll verzeichneten, später als “Exklusiv-Interview’ betitelten Äußerungen eine Ausnahme machen wollte, erscheint lebensfremd. Unter diesen Umständen durften seine Äußerungen grundsätzlich nur als vertraulich geweitet werden.

Wie schon das Landgericht München im Urteil vom 9. Oktober 2002 – 9.O.13425/02 – ausgeführt hat, ist vom privaten Charakter des Dialogs mit dem Beklagten zu 2) auszugehen: “Auch wenn es zutreffen dürfte, dass im Bereich der sog. Society-Presse persönliche Kontakte und Gespräche auf informeller Ebene eine wichtige Informationsquelle nicht nur im Rahmen der Recherche, sondern auch mit der Zweckbestimmung eines späteren Abdrucks darstellen, so ist dennoch ein Unterschied solcher Gespräche gegenüber einem Interview festzustellen. Unabhängig davon, wie man den – der Alltagssprache angehörenden – Begriff des Interviews genau definieren mag, ist jedenfalls für ein Interview kennzeichnend, dass es zum Zwecke des Abdrucks gegeben wird. Hierfür bedarf es in der Regel einer ausdrücklichen Freigabe.” Diese fehlt vorliegend.

Die Kammer bleibt bei ihrer im Verfügungsverfahren vertretenen Ansicht, wonach der Beklagte zu 2) auch nicht auf einen Meinungswandel des Klägers vertrauen durfte, wenn der Kläger am Tag darauf auf telefonische Nachfrage hin der lllustration eines Interviews über die Hintergründe seiner Ehekrise mit einem Bild, das ihn gemeinsam mit seiner neuen Lebenspartnerin zeige, widersprochen haben sollte, ohne sich zugleich ausdrücklich auch gegen die Veröffentlichung des Interviews selbst zu verwahren. Der Vortrag der Beklagten, wonach der Beklagte zu 2) dem Kläger vorgehalten habe, das Gespräch vom Vortag veröffentlichen zu wollen und dass sich der Kläger mithin habe bewusst sein müssen, dass eine solche Veröffentlichung geplant sei, ist hier nach wie vor nicht ausreichend. Der konkrete Gesprächsinhalt ist nicht hinreichend dargetan. Wie der Beklagte zu 2) “mehrfach und ausdrücklich” darauf eingegangen sein will, dass es sich bei dem Gespräch am Vortag um ein Interview handelte, welches in … veröffentlicht werden wird, ist nicht ersichtlich. Worauf sich die Antwort des Klägers bezog, bleibt unter diesen Umständen offen. Die vermeintliche Antwort des Klägers, er wolle zu der Veröffentlichung kein Foto, das ihn mit seiner neuen Lebenspartnerin zeige, lässt nicht den von den Beklagten gezogenen Schluss zu, der Kläger habe allein dem Foto widersprochen. Die Formulierung lässt sich ebenso gut dahingehend verstehen, dass der Kläger sowohl der Veröffentlichung des Interviews als auch der Veröffentlichung eines Bildnisses in diesem Zusammenhang widersprochen habe.

2. Dagegen steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 2. b) beanstandeten Äußerungen nicht gemäß §§ 823, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs.1 GG zu.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die unter lit. b) im Rahmen der redaktionellen Anmerkung zur in Heft 47/02 abgedruckten Gegendarstellung getätigte Äußerung nicht zu beanstanden.

Ob eine Äußerung in unzulässiger Weise Rechte Dritter beeinträchtigt oder in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG fällt, hängt wesentlich davon ab, ob die Äußerung zunächst in ihrem Sinn zutreffend erfasst worden ist. Dabei ist nicht nur vom Wortlaut auszugehen oder von der Bedeutung, die das Lexikon der Aussage zumisst, sondern es ist die Gesamtheit der äußeren und inneren Umstände mit zu berücksichtigen, in deren Kontext die Äußerung gefallen ist (BVerfG NJW 1995, 3003, 3005; NJW 1994, 2943; Löffler, Presserecht, 4. Aufl., Rdn. 90 zu § 6 LPG). Dabei darf nicht isoliert auf die durch den Klageantrag herausgehobene Textpassage abgehoben werden (BVerfG NJW 1995, 3003, 3005, BGH NJW 1998, 3047, 3048). Vielmehr ist bei der Ermittlung des Aussagegehalts auf den Gesamtbericht abzustellen (BGH a.a.O.; NJW 1992, 1312, 1313) und zu prüfen, welcher Sinn sich dem dafür maßgebenden Durchschnittsleser aufdrängt (BGH a.a.O.; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdn. 4.4 und 4.5). Entscheidend ist weder die subjektive Absicht des Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern das Verständnis, das ihr – unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs – ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum zumisst (BGH NJW 1998, 3047, 3048). Bei mehreren Möglichkeiten der Auslegung darf das Gericht sich nicht für die zur Verurteilung führende Auslegung entscheiden, ohne die anderen, zulässigen überzeugend ausgeschlossen zu haben (BVerfG NJW 1994, 2943; BGH NJW 1992, 1312, 1313; Wenzel, a.a.O., Rdn. 4.2). Bei mehreren Deutungen des Inhalts einer Äußerung ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (BGH NJW 1998, 3047, 3048). Entgegen der Ansicht des Klägers wird durch die beanstandete Aussage zum Mitschnitt des Telefongesprächs nicht zwingend der Eindruck erweckt, er habe hiervon Kenntnis gehabt. Vielmehr kann die Erwähnung des Tonbandmitschnittes im Kontext auch ohne weiteres als Hinweis auf die – möglicherweise ohne Wissen des Klägers erfolgte – Dokumentation des Gesprächs zu Beweiszwecken verstanden werden.

3. Dem Kläger steht auch der gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachte Anspruch auf Richtigstellung aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu.

Bezüglich des Richtigstellungsbegehrens hat der Kläger nicht hinreichend dargetan, dass er kein Interview gegeben hat. Anders als beim Unterlassungsanspruch muss der Betroffene beim Widerrufanspruch die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nachweisen, denn niemand darf verpflichtet werden, in der Form des Widerrufs etwas als unwahr zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist (vgl. BGH NJW 1976, 1099 ff.).

Im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten zum Inhalt des am 11. Juli 2002 geführten Telefongesprächs, bei dem sich der Kläger mit einer Veröffentlichung des am Vortag geführten Gesprächs einverstanden erklärt haben soll, hätte es dem Kläger oblegen, seinerseits detailliert zum Gesprächsinhalt vorzutragen. Sein pauschales Bestreiten ist insoweit unerheblich; seiner Darlegungslast ist er damit nicht ausreichend nachgekommen. Auch im Termin hat der Kläger auf ausdrückliches Befragen durch die Kammer nur pauschal bestimmte Gesprächsinhalte verneint, ohne klarzustellen, was konkret stattdessen besprochen worden sein soll. In welchem Zusammenhang genauer auf fehlende Fotos von ihm und Frau … sowie auf den Aufenthaltsort von Frau … hingewiesen haben will, ist weder dargetan noch ersichtlich. Dem Kläger ist es nicht gelungen, zur vollen Überzeugung des Gerichts darzulegen, dass kein Interview geführt worden ist.

Der Kläger hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass seine unstrittig gefallene Aussage, “…”, nicht auf seine, sondern auf die Ehe des Beklagten zu 2) zu beziehen ist. Es sei dahingestellt, ob die bei dem “Männergespräch” ausgetauschten tiefgründigen Definitionsansätze zu ehelicher Treue bzw. Untreue überhaupt in Bezug auf irgend jemandes Ehe hilfreich sind. Mag der Kläger im Telefonat auch zur Ehe des Beklagten zu 2) Stellung bezogen haben, so hat er seine eigene Ehe jedenfalls von seinen generellen Ausführungen zum Ehebruch nicht ausgenommen, sondern vielmehr ausdrücklich einbezogen. Selbst wenn der Beklagte zu 2) sich nach seiner aus dem als Anlage B 1 eingereichten Gesprächsprotokoll ersichtlichen Äußerung “So kommt es zumindest rüber. Aber du sagst, das hätte nicht gestimmt, dass du …” und bevor er mit den Worten fortfuhr “…” an der durch Auslassungspunkte markierten Stelle zum Zustand seiner eigenen Ehe geäußert haben sollte, besagt dies noch nicht, dass der Kläger mit der streitgegenständlichen Äußerung dessen Ehe kommentieren wollte. Unwidersprochen hat der Kläger sich – wie auch immer das zu verstehen sein mag – direkt im Anschluss dahingehend geäußert, … binnen drei Monaten zweimal auf Scheidung angesprochen zu haben, ohne dass was passiert sei, um dann direkt mit der Aussage fortzufahren: “…” Auf die Zustimmung des Beklagten zu 2) “Finde ich auch, absolut” bestätigt wiederum der Kläger “Ich will dir was sagen, wenn …” Ob der Betrugsvorwurf in Bezug auf seine Ehe nur wegen zweimaliger vergeblicher Aufforderung zur Einreichung des Scheidungsantrags oder auch wegen langjähriger Abstinenz entfallen sein soll, geht aus diesem Gesprächsablauf nicht klar hervor. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass er das Gespräch zum Thema “Betrug” nach etwaigen Äußerungen des Beklagten zu 2) zu dessen Ehe selbst auf seine Frau lenkte. Dass er die darin anschließende Äußerung zur fünfjährigen Abstinenz nicht auf seine eigene Ehe, sondern die seines Gesprächspartners bezogen haben wollte, versteht sich nicht von selbst. Sie konnte im Kontext auch durchaus seine Ehe betreffen.

5. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Die Beklagte zu 1) hat mit den beanstandeten Beiträgen nicht in einer Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, die eine Geldentschädigung unabweisbar macht.

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass der Verletzte andernfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft bliebe (BGH NJW 1995, 861, 864, BVerfG NJW 1973, 1221, 1224; Kammergericht AfP 1974, 720, 721). Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen (BGH LM BGB § 847 Nr. 51). Ob eine schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwer ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers (BGH NJW 1996, 1131, 1134). Dabei kann schon ein einziger jener Umstände zur Schwere des Eingriffs führen (Kammergericht a. a. O.).

Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger durch die Veröffentlichung seines Gesprächs mit dem Beklagten zu 2) mangels Einwilligung widerrechtlich in seinem durch Art. 2 GG geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt ist, denn jedenfalls fehlt es an einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Die von den Medien aufgegriffene und ausgeschlachtete außereheliche Affäre des Klägers … war im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Berichterstattungen bereits in aller Munde und wurde unstrittig nicht erst durch die Beklagte publik gemacht. Über den Kläger, seine Ehefrau und seine Geliebte wurde gerichtsbekannt regelmäßig und bundesweit namentlich in den Medien berichtet. Nach seinem eigenen Vorbringen, sei es um unliebsame Journalisten hinzuhalten oder aus anderen Gründen, hielt der Kläger es vor der Veröffentlichung des “Exklusiv-Interviews” in … nicht für ausgeschlossen, sich zu gegebener Zeit auch öffentlich über seine Ehe zu äußern. Dass der Kläger generell nicht bereit gewesen sei, Details zu seiner Ehe zu offenbaren und sich somit des Schutzes eines Teils seiner Privatsphäre zu begeben, ist weder ersichtlich noch dergetan. Selbstverständlich war es der Beklagten verwehrt, von sich aus den Zeitpunkt der Öffnung seiner Privatsphäre zu bestimmen. Jedoch geht hier weder von dem Interview als solchem noch der Anmerkung zur später abgedruckten Gegendarstellung eine soziale Prangerwirkung für den Kläger aus. Der freundlich gehaltene Beitrag über die “wahren Hintergründe seiner Trennung”, der mehr oder weniger überzeugend mit “…” aufräumen soll, hat selbst keinen diskriminierenden Charakter. Dass die detaillierten und möglicherweise unschicklich wirkenden Angaben des Klägers zum scheinbar nicht gegebenen Betrug weder auf seiner Überzeugung beruhen noch so gefallen sind, hat der Kläger wie bereits oben erörtert nicht darzulegen vermocht.

Über die effekthaschende Art und Weise der Berichterstattung der Beklagten, die sich nicht mit der nötigen journalistischen Sorgfalt einer erforderlichen Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung seiner Ansichten zum Ende seiner Ehe rückversichert haben mag, mag sich trefflich streiten lassen. Dem Kläger dürfte jedoch nicht entgangen sein, dass sein ehemaliger Freund, der Beklagte zu 2), es sich offenbar beruflich zur Aufgabe gemacht hat, persönliche Einblicke in das Privatleben von Prominenten zu offenbaren, und öffentlich als “Gottvater der Intimbeichte”, als “Zentralorgan für Klatsch und Tratsch” gepriesen wird. Der Kläger muss sich insoweit fragen lassen, warum er, wenn er gesteigerten Wert auf den Schutz seiner Privatsphäre legte und sich dennoch die therapeutische Wirkung eines Gesprächs mit dem Beklagten zu 2) nicht entgehen lassen wollte, sich nicht der Vertraulichkeit des Gesprächs versichert hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 100, 709 ZPO.


Mauck

Richter am Landgericht Dr. Glaßer ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Mauck

Becker

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