LG Frankfurt a.M., Berufungsurteil vom 26. Juli 2010, 2-24 S 135/09

LG Frankfurt a.M., Berufungsurteil vom 26. Juli 2010, 2-24 S 135/09

Bauarbeiten und Verlegung des Speisesaals

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

26. 07. 2010


Aktenzeichen

2-24 S 135/09


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

… II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Anschlussberufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) (Vertrag zugunsten Dritter) haben jeweils einen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c Abs. 1, 651d Abs. 1, 638 Abs. 3 und Abs. 4 BGB in Höhe von jeweils 559,70 EUR.

a) Die Reise der Kläger auf die Kapverden vom 24.4. 2007 bis 8.5.2007 war im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB mängelbehaftet.

Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass im gebuchten Hotel ab dem 28.4.2007 täglich Bauarbeiten durchgeführt wurden, die sich bis zum Ende der Reise erstreckten und durch die Lärm und Staub auftraten, die Nutzung des weiteren Swimming-Pools beeinträchtigt wurde und der bisherige Speisesaal verlegt werden musste. Weiter waren Planen aufgehängt, um die Sicht auf die Baustellen zu verhindern.

Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und aufgrund der vorgelegten Lichtbilder in Verbindung mit dem Klägervortrag fest.

Das Amtsgericht hat hinsichtlich dieser Mängel eine Minderungsquote von 35 % ab dem 28.4.2007 angesetzt.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht diese Minderungsquote für diese massiven Reisemängel für zu gering bemessen.

Nach den Zeugenaussagen und insbesondere dem – mit beigefügten aussagekräftigen Lichtbildern – substantiierten Klägervortrag ist davon auszugehen, dass ganz erhebliche Bauarbeiten in dem gebuchten Hotel durchgeführt worden sind. Aus den Lichtbildern ist zu entnehmen, dass weite Bereiche des Hotels mit Sichtschutzplanen abgehängt worden waren, hinter denen sich Baustellen verbargen. Dadurch wurde insbesondere auch ein Swimming-Pool-Bereich in seiner Nutzbarkeit ganz massiv eingeschränkt. Entgegen dem Vortrag der Beklagten ist auf den vorgelegten Lichtbildern auch der Einsatz lärmintensiver Baumaschinen zu erkennen. So ist z. B. auf einem Bild deutlich der Einsatz eines Presslufthammers zu erkennen. Auch die Zeugen haben den Einsatz von Presslufthämmern geschildert. Aufgrund der Bauarbeiten im ursprünglichen Speisesaal wurde dieser geschlossen und in das teilweise offene Restaurant / Bar verlegt.

Daraus ergibt sich, dass die Hotelanlage ab dem 28.4. 2007 einen Baustellencharakter mit entsprechender Lärm- und Staubentwicklung angenommen hatte. Die Kläger haben auch Art und Umfang des Lärms ausreichend dargelegt. Danach war der Lärm insbesondere in der Unterkunft der Kläger zu vernehmen, aber auch im gesamten übrigen Hotel und sogar am Strand. Entsprechendes gilt für die Beeinträchtigungen durch die Staubentwicklung.

Dem ist die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Vielmehr war das diesbezügliche pauschale Bestreiten der Beklagten ohne Substanz.

Nach all dem hält das Berufungsgericht für diese Mängel eine Minderungsquote von 50 % für die betroffene Reisezeit für angemessen und ausreichend.

Weiterhin hat das Amtsgericht die nachteilige Einnahme der Verpflegung in der Bar zu Recht als Reisemangel qualifiziert. Darüber hinaus hält es das Berufungsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem substanziierten Klägervortrag für erwiesen, dass sich die “zugige” Atmosphäre in der teilweise offenen Bar negativ auf die Temperaturen der Speisen ausgewirkt hat.

Da der Ersatzspeisesaal aber auch schon weitestgehend mit der Minderung Baustelle abgegolten ist, hält das Gericht insoweit eine weitere Minderung von 10 % für angemessen und ausreichend.

b) Es ist auch davon auszugehen, dass all diese Mängel rechtzeitig gerügt worden sind im Sinne von § 651d Abs. 2 BGB.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer trägt der Reiseveranstalter für den Einwendungstatbestand des § 651d Abs. 2 BGB, also eine unterlassene Mängelrüge, grundsätzlich die Beweislast. Die Kammer vertritt die Ansicht, dass in diesem Zusammenhang eine abgestufte Prüfung vorzunehmen ist.

Im Ausgangspunkt hat im Bestreitensfall der Reiseveranstalter nachzuweisen, dass eine rechtzeitige Mängelanzeige am Urlaubsort unterblieben ist. Die Kammer ist der Ansicht, dass die Frage der Beweislast bei § 651d Abs. 2 BGB einer differenzierten Lösung bedarf, die insbesondere der Tatsache Rechnung trägt, dass der dem Reiseveranstalter obliegende Beweis ein Negativbeweis ist, der bekanntermaßen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Unter diesen Umständen wird der Reiseveranstalter sich zunächst damit begnügen können, dass er sich auf den Ausnahmetatbestand des § 651d Abs. 2 BGB beruft, wenn er gleichzeitig vorträgt, dass eine Person vorhanden war, die für die Entgegennahme der Mängelanzeige zuständig war, und dass bei dieser Person eine Mängelanzeige entweder überhaupt nicht oder erst zu einem bestimmten (späteren) Zeitpunkt eingegangen ist. Es liegt dann im Rahmen der Darlegungslast des Reisenden vorzutragen, dass wann, durch wen und wem gegenüber er früher die Mängelrüge abgegeben hat. Ein bei der Beweisaufnahme sich ergebendes non-liquet muss aber dann zum Nachteil des Reiseveranstalters ausschlagen. Auch für die Tatsache der Erreichbarkeit der Reiseleitung ist der Reiseveranstalter im Ergebnis beweis belastet (vgl. Urteil der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. vom 26.6.2008 – 2-24 S 86/07). Allerdings trägt der Reisende die Beweislast dafür, dass er ohne Verschulden an der rechtzeitigen Abgabe der Mängelanzeige gehindert war; außerdem muss er nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen die Beweislast für die Tatsachen tragen, aus denen sich ganz ausnahmsweise eine Entbehrlichkeit der Mängelanzeige herleiten lässt (vgl. zum Ganzen Urteil der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. vom 31.8.2006, RRa 2007, 69, 71; Urteil der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. vom 17.3.1986, NJW-RR 1986, 540 ff.; ebenso LG Kleve, RRa 1997, 72-74; Seyderhelm, Reiserecht [1997], § 651d BGB, Rn. 124).

Die Kläger haben ausreichend substanziiert dargelegt, dass sie die Mängel bzgl. Baustelle / Baulärm gegenüber der ersten Reiseleiterin, Frau G., der Beklagten am 28.4. 2007 gerügt hätten. Dies hat die Beklagte zwar bestritten, jedoch hat sie – auch nach Hinweis des Berufungsgerichts – dafür keinen Beweis angeboten. Danach ist die beweisbelastete Beklagte für ihre Behauptung beweisfällig geblieben.

Die vorliegende Gesprächsnotiz vom 8.5.2007 von der zweiten Reiseleiterin, Frau K., führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Diese Privaturkunde kann die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit nur in Bezug auf die Reiseleiterin Frau K. entfalten, aber gerade nicht in Bezug auf die vorherige Reiseleiterin Frau G. Danach kann aus dieser Gesprächsnotiz nicht die Vermutung hergeleitet werden, dass eine Kontaktaufnahme der Kläger mit der Reiseleitung der Beklagten frühestens am 7.5.2007 erfolgt ist.

Aber auch hinsichtlich des Mangels “Verpflegung” kann sich die Beklagte nicht erfolgreich auf eine verspätete Mängelrüge berufen.

Nach dem Wechsel der Reiseleitung mit Beginn Mai 2007 haben die Kläger ausreichend substanziiert dargelegt, dass die neue Reiseleiterin Frau K. zunächst nicht mehr erreichbar war, da die Sprechzeiten ohne entsprechende Information geändert worden seien. Dem ist die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch nach Hinweis des Berufungsgerichts nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Vielmehr hat dies die Zeugin D. inzident bestätigt.

c) Danach berechnet sich die Minderung wie folgt:

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Kläger im Hinblick auf die Minderung keine Gesamtgläubiger sind. Danach können die Kläger die Minderung jeweils nur getrennt auf der Grundlage ihres jeweiligen Reisepreises geltend machen.

Abzüglich der nicht zu berücksichtigenden Visakosten von 25,- EUR beläuft sich der maßgebliche Reisepreis pro Person auf 1.306,- EUR.

Bei einem zu berücksichtigenden Reisepreis von 1.306,- EUR pro Person ergibt sich bei einer 14-tägigen Reise ein Tages-Reisepreis von 93,29 EUR pro Person.

Bei einer Minderungsquote von insgesamt 60 % für die festgestellten Reisemängel für 10 Tage ergibt sich bei einem Tagesreisepreis von 93,29 EUR pro Person ein Minderungsbetrag von 559,70 EUR pro Person.

2. Die Kläger haben jeweils einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gemäß § 651f Abs. 2 BGB in Höhe von jeweils 450,- EUR.

Nach der weiterhin ständigen Rechtsprechung der Kammer (Urt. v. 31.8.2006 – 2-24 S 281/05, RRa 2007, 69 ff.; Urt. v. 7.12.2007 – 2-24 S 53/07, RRa 2008, 76 ff.j Urt. v.17.12.2009 – 2-24 S 140/09; RRa 2010, 27, 29) liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne von § 651f Abs. 2 BGB vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50 % gerechtfertigt ist.

Diese Voraussetzung liegt hier wie oben gezeigt für 10 Tage vor.

Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (vgl. z. B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28).

Die Kammer berücksichtigt bei der Bemessung der Entschädigung insoweit regelmäßig die festgestellte Minderungsquote, die hier bei 60 % liegt.

Bei einem zu berücksichtigenden Reisepreis für die Kläger von jeweils 1.306,- EUR ist daher der von den Klägern geltend gemachte Entschädigungsbetrag von jeweils 450,- EUR jedenfalls als angemessen und ausreichend anzusehen.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB.

4. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 4,50 EUR gemäß § 651f Abs. 1 BGB.

Zwar ist diese Schadensposition grundsätzlich gemäß § 651f Abs. 1 BGB ersatzfähig. Jedoch lässt sich nicht feststellen, in welcher Person der Kläger diese Schadensposition entstanden ist. Insoweit lässt sich nicht feststellen, welchem Kläger dieser höchstpersönliche Schadensersatzanspruch zusteht. Eine Gesamtgläubigerschaft liegt insoweit nicht vor.

5. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gemäß § 651f Abs.1 BGB. Die Kosten, die einem Reisenden durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung reisevertraglicher Ansprüche zustehen, stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Grundsätzlich ist es einem Reisenden gestattet, schon bei der Anmeldung von Ansprüchen sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist. Hier haben sich die Kläger bereits zur Anmeldung der reisevertraglichen Ansprüche gem. § 651g Abs. 1 BGB eines Rechtsanwalts bedient.

Jedoch haben die Kläger die Rechtsanwaltsvergütungsforderung nicht ausreichend schlüssig vorgetragen. Insbesondere wird die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht ausreichend nachvollziehbar dargelegt. Diesbezüglich fehlt es an einer Darlegung der nach dem RVG abgerechneten konkreten Gebührentatbestände. Eine konkrete Berechnung nach Gebührentatbeständen ist nicht erfolgt.

Da es sich um eine Nebenforderung handelt, bedurfte es auch keiner weitergehenden Hinweise (vgl. § 139 Abs. 2 ZPO).

6. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Anschlussberufung unbegründet ist.

III. …

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. …

Rechtsgebiete

Reiserecht