Bäume und Sträucher an der Grundstücksgrenze: Worauf muss ich achten?

Bäume und Sträucher an der Grundstücksgrenze: Worauf muss ich achten?

Wenn Bäume oder Sträucher gepflanzt werden, sind sie meist klein und dürr. Nur die wenigsten erahnen, wie die Winzlinge in den folgenden Jahren in Höhe und Breite schießen. Daher wird oft zu nah an Grundstücksgrenzen gepflanzt und wenn Äste und Wurzeln sich ausdehnen, sind Streitigkeiten mit den Nachbarn vorgezeichnet. Auch wenn man den Ausläufern zu Leibe rücken will, sind gesetzliche Bestimmungen zu beachten.

Wir haben die wichtigsten Rechtsgrundlagen zum Themenkomplex zusammengestellt.



Überhängende Zweige

Zweige – nicht jedoch ganze Bäume – die über die Grundstücksgrenze ragen, darf man unter folgenden zwei Bedingung an der Grenze abschneiden:

1) Das Gesetz (§ 910 Bürgerliches Gesetzbuch) verlangt eine Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung durch den Überhang, z. B. dadurch, dass ohne die Beseitigung der Äste die geplante Kinderschaukel nicht aufgestellt werden kann. Dagegen genügt es nicht, wenn lediglich einige Blätter des Nachbarbaumes auf den eigenen Rasen fallen. Anders sieht es hingegen aus, wenn z.B. zahlreiche Mostbirnen herüber fallen oder durch größere Mengen Laub oder klebrige Baumsäfte häufige Reinigungsarbeiten auf dem eigenen Grundstück erforderlich werden.

2) Außerdem ist es wichtig, dass man dem Nachbarn eine angemessene Frist setzt, um ihm Gelegenheit zu geben, die störenden Zweige zu entfernen. Erst wenn diese Frist verstrichen ist, darf man selbst zur Säge oder Gartenschere greifen und die Zweige abschneiden.

Achtung: Die Zweige dürfen nur soweit abgeschnitten werden, wie sie hinüberragen. Das heißt, es besteht kein Anspruch darauf, die Zweige am Baumstamm zu entfernen. Ein Nachbar, der zu weit über die Grenze hinüberschneidet, kann sich daher schadensersatzpflichtig machen.


Herüberwachsende Wurzeln

Wurzeln eines Baumes oder Strauches, die vom Nachbargrundstück her eingedrungen sind, darf man auch an der Grenze abschneiden und entfernen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Auch das ist im Gesetz (§ 910 Bürgerliches Gesetzbuch) ausdrücklich geregelt:

Voraussetzung ist, dass die Wurzeln die Benutzung des Grundstücks tatsächlich beeinträchtigen, z. B. dem Gemüsebeet die notwendige Feuchtigkeit entziehen oder Plattenwege und Abflussrohre beschädigen. Das bloße Vorhandensein von Wurzeln im Erdreich stellt für sich allein noch keine Beeinträchtigung dar, auch wenn dem Boden Nährstoffe und Wasser entzogen werden!


Darf ich meinen Baum schneiden wie ich will?

Die meisten Gemeinden haben Baumschutzverordnungen erlassen, die es verbieten, Bäume und Sträucher ab einer bestimmten Größe zurückzuschneiden oder zu fällen. Das Entfernen von Wurzeln oder von Ästen und ganzen Sträuchern ist dadurch sehr eingeschränkt worden. Es besteht zwar die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu beantragen. Diese Genehmigungen werden in der Praxis aber nur selten erteilt, zum Beispiel bei kranken Bäumen oder wenn der Baum umzustürzen droht. Bei anderen Beeinträchtigungen gibt es in der Regel keine Ausnahmegenehmigung. Das bedeutet, dass sowohl der Grundstückseigentümer als auch der Nachbar keine Veränderungen vornehmen dürfen. Informieren Sie sich daher vorher bei Ihrer Gemeinde über die Rechtslage und greifen Sie erst dann zur Säge.

Fallbeispiel: Rückschnitt mit Folgen

Auf dem Grundstück des Klägers stand etwa drei Meter von der Grenzmauer entfernt eine hohe Trauerweide, deren Zweige die Grenze überragten. Der beklagte Nachbar forderte den Kläger auf, die überragenden Zweige zu beseitigen. Der Kläger teilte dem Nachbarn daraufhin mit, er könne die herüberragenden Zweige selbst abschneiden und behalten. Der Nachbar schnitt die überragenden Äste ab, allerdings direkt am Stamm. Sie fielen auf die Grenzmauer und das Grundstück des Klägers und zertrümmerten dort eine Säurespezialkiste sowie mehrere Dachpfannen auf der Grenzmauer. Der Kläger verlangte daraufhin Schadensersatz.

Das Urteil
Das Landgericht Bielefeld (Az. 1 S 250/59) gab dem Kläger Recht. Der beklagte Nachbar hat dadurch, dass er die überragenden Äste am Stamm abschnitt, gegen § 910 Bürgerliches Gesetzbuch verstoßen. Das Selbsthilferecht ist auf die Teile der Äste und Zweige beschränkt, die die Grenze überragen. Er hat keinen Anspruch darauf, Zweige oder Äste am Baumstamm zu entfernen, deren Spitzen gerade noch so über die Grenze auf sein Grundstück ragen. Bei einem hochwertigen Obstbaum zum Beispiel kann das zu unverhältnismäßig hohen Schäden für den Eigentümer führen.
Das Gericht verurteilte den Nachbarn zum Ersatz der zerstörten Kiste und der zerbrochenen Dachpfannen. Der Nachbar ist beim Abschneiden der Äste nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen. Er hätte die Schäden vermeiden können, wenn er die Äste nicht rücksichtslos hätte herabstürzen lassen, sondern vorsichtig festgehalten und abgefangen hätte.

Fallbeispiel: Sichtschutzhecke mit Kahlschnitt

Entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze wuchs auf dem Grundstück des Klägers eine Hecke aus Scheinzypressen. Diese etwa fünf Meter hohen Pflanzen ließ der beklagte Nachbar ohne vorherige Ankündigung zum Teil bis ins alte Holz zurückschneiden, weil Zweige auf sein Grundstück herüberhingen. Der Kläger behauptet, die Hecke sei irreparabel geschädigt. Sie werde zur Seite des Nachbarn hin nicht mehr ausschlagen und habe deshalb ihre Sichtschutzfunktion verloren. Eine Neuanpflanzung koste mindestens 4360,38 Euro, jedenfalls sei der Verkehrswert seines Grundstücks um diesen Betrag gemindert.

Das Urteil
Das Landgericht Gießen (Az. 1 S 230/96) hat die Schadensersatzklage abgewiesen. Zwar schreibt das Gesetz (§ 910 Absatz 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch) vor, zunächst eine angemessene Beseitigungsfrist zu setzen, bevor man zur Selbsthilfe greift. Dadurch soll die Selbsthilfe des Nachbarn verschoben, aber nicht ausgeschlossen werden. Der Kläger hätte das Abschneiden also nicht vermeiden können, und der Schaden wäre auch dann entstanden, wenn sich der Nachbar rechtmäßig verhalten hätte. Ein Schadensersatzanspruch scheidet deshalb aus. Die Zweige der Scheinzypressen wuchsen ca. einen Meter über die Grenze auf das Grundstück des Beklagten und stellten dort eine Beeinträchtigung im Bereich der Garageneinfahrt dar. Der Rückschnitt bis zur Grenze war nötig, damit der Beklagte sein Grundstück in diesem Bereich wieder über die gesamte Breite nutzen konnte. Dass der beklagte Nachbar die Zweige etwa fünf Zentimeter weiter als bis zur Grundstücksgrenze zurückgeschnitten hat, ist eine unwesentliche Überschreitung, die praktisch keine Rolle spielt und bei Gartenarbeiten auch sonst vorkommt. Angesichts des Ausmaßes, den der zu beseitigende Überhang bereits angenommen hatte, musste der Rückschritt auch bis ins alte Holz gehen mit der Folge, dass die verbleibenden Äste nicht mehr austreiben konnten. Der Kläger hat keinen Schaden und keine Wertminderung erlitten. Er ist in seinem Eigentumsrecht an seinem Grundstück nicht verletzt worden. Außerdem ist es seine Sache, auf dem eigenen Grundstück für Sichtschutz zum Nachbarn zu sorgen.


Exkurs: Abstand von Pflanzen zur Grundstücksgrenze

Die Grenzabstände für Hecken werden in jedem Bundesland (außer in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen) ausdrücklich festgelegt. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen wurden Nachbarschaftsgesetze erlassen, die die Grenzabstände für Bäume und Sträucher, und damit auch für Hecken, genau regeln. Für die anderen Bundesländer kann folgende Faustformel auf­gestellt werden: Halten Sie mit Bäumen und Sträuchern bis etwa 2 m Höhe vorsichtshalber einen Mindestabstand von 50 cm ein, und bei höheren Pflanzen einen Abstand von mindestens einem Meter. Auf die berechtigten Belange des Nachbarn muss Rücksicht genommen werden. Zu hohe Hecken müssen gekürzt, zu nah gepflanzte Hecken zurückversetzt werden.

Welcher Grenzabstand einzuhalten ist, hängt von der Pflanze ab. Die Landesgesetze sprechen alle von Bäumen und Sträuchern, jedoch wird in keinem Gesetz eine Definition angeboten, obwohl es bei den Grenzabständen große Differenzen gibt. Für Bäume ist meist ein größerer Abstand vorgeschrieben als für Sträucher, um in erster Linie den Nachbarn gegen Lichtentzug zu schützen. Ein Baum muss immer einen oder mehrere Stämme mit Krone haben und die Fähigkeit mindestens 6 Meter Höhe zu erreichen. Im Gegensatz dazu verzweigt sich ein Strauch bereits vom Boden aus. Die Bäume, die nicht die Höhe von 6 Metern erreichen, werden den Sträuchern zugeordnet. Die meisten Nachbargesetze unterscheiden zusätzlich zwischen Hecke, Nutz- und Ziergehölzen.

Da in den Gesetzen oft Begriffe wie großwüchsig, sehr stark wachsend, stark wachsend und ähnliche verwendet werden, ist es oft schwierig den Mindestgrenzabstand zu bestimmen. Eine übergreifende Erklärung für alle Bundesländer kann hier nicht gegeben werden, denn selbst wenn die Begriffe in den Gesetzen teilweise gleich sind, sind sie nicht immer gleich auszulegen. Viele Auseinandersetzungen über Grenzabstände könnten wohl vermieden werden, wenn die Gesetzgeber sich für eine eindeutigere Formulierung entschieden hätten. Ein zusätzliches Problem bei der Zuordnung zu den verschiedenen Begriffen ist, dass es selbst in der gleichen Art eines Gehölzes standortbedingt verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten gibt, beispielsweise auch abhängig von der Unterlage auf der sie gepflanzt sind. Eine rein tabellarische Zuordnung ist also nicht in allen Fällen möglich.

In Streitfällen muss ein Sachverständiger die Zuordnung vornehmen. Eine Besonderheit: Soweit in den Gesetzen zwischen stark und sehr stark wachsenden Pflanzen unterschieden wird, kommt es nicht etwa auf das Tempo des Wachstums an, sondern auf die in Deutschland erreichbare maximale Wuchshöhe.

Exkurs: Zu dicht gepflanzt – was tun?

Bei einem Verstoß gegen Abstandsvorschriften hat der Nachbar grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die zu dicht an der Grenze stehende Pflanze beseitigt oder auf die zulässige Höhe zurückgeschnitten wird. Der störende Nachbar darf in der Regel zwischen diesen beiden Möglichkeiten wählen. Die Landesrechte weichen teilweise voneinander ab – auch was die Rücksichtnahme auf Wachstumszeiten betrifft. Gerichtlich wird sich voraussichtlich allgemein durchsetzen, dass unabhängig vom geschriebenen Recht nur zurückgeschnitten werden muss, falls so ein gesetzlicher Zustand hergestellt werden kann.

Das Wahlrecht des störenden Nachbarn entfällt, wenn Maßnahmen für die eine Alternative, zum Beispiel für die Alternative „zurück­schneiden“, zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (Bundesgerichtshof, Aktenzeichen V ZR 98/03).

Achtung: Die Ansprüche auf Rückschnitt oder Versetzung können verjähren. Einzelne Gesetze legen Ausschlussfristen fest. Oft stört die Anpflanzung zunächst nicht, und dann, wenn sie später einmal die Sonne wegnimmt oder stört, ist es zu spät.

Übrigens: Ein Baum, der den vorgeschriebenen Grenzabstand einhält, muss nicht gefällt werden, nur weil er irgendwann einmal einen Schaden anrichten könnte. Eine Beeinträchtigung durch Wurzeln, oder auch Zweige, muss bereits konkret vorliegen. Eine abstrakte Gefahr reicht nicht. Sie müssen also den Nachweis eines bevorstehenden Schadens führen. Reden Sie aber dennoch schon rechtzeitig mit dem Nachbarn. Der Eigentümer des Baumes ist für Schäden, die Wurzeln später einmal anrichten, in der Regel haftbar.

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