Nachbarschaftsstreit: Welche außergerichtlichen Möglichkeiten gibt es?

Nachbarschaftsstreit: Welche außergerichtlichen Möglichkeiten gibt es?

Nachbarschaftsstreitigkeiten sind natürlich für keinen der Beteiligten angenehm oder wünschenswert. Dennoch kommt es leider regelmäßig dazu, dass aus unterschiedlichsten Gründen ein Konflikt entsteht: bellende Hunde, unangenehme Gerüche wie Zigarettenrauch, ein ständig falschparkender PKW oder einfach Unfreundlichkeit und allen voran Lärmbelästigung – Zweifelsohne kann aus jedem regelmäßig störenden Verhalten ein Streit entstehen, bei dem sich beide oder sogar noch mehr Parteien gegenseitig beschuldigen. Oftmals gehen diese Streits jahrelang und vor Gericht bis in die höchstmögliche Instanz, während selbst in diesen Fällen nur selten anschließend der Frieden gewährleistet ist. Doch wie lassen sich – abseits des gerichtlichen Weges – solche Situationen verhindern und welche Möglichkeiten führen vielleicht sogar wirklich zu einer dauerhaften Lösung?


Aspekte eines Nachbarschaftsstreits

Wenn es um Konflikte mit dem Nachbarn geht, steht oftmals ein bestimmtes Thema im Mittelpunkt. Laut einer aktuellen Statistik mit möglichen Mehrfachnennungen, handelt es sich dabei in den meisten Fällen um Lärmbelästigung (63,6%), gefolgt von vernachlässigten Nachbarpflichten (44,7%), die Lärmbelästigung, den verursachten Schmutz und Geruchsbelastung durch Haustiere (41%), aber auch PKW-bedingte Probleme wie das Parken (39,2%) und noch einige weitere. Nach einer weiteren Statistik derselben Quelle – dem Marktforschungsinstitut GfK – ist die Streitquote in den Bundesländern Hamburg, Baden-Württemberg und Sachsen am höchsten, während Brandenburg, Bayern und Berlin das Schlusslicht bilden.

Umfrage zu Streit unter Nachbarn

 

Doch neben den Streitgründen gibt es noch weitere Aspekte, die bei einem Konflikt mit dem Nachbarn nicht selten eine erhebliche Rolle spielen: mangelnde Sympathie ist meistens nicht erst das Resultat der Streitthematik, sondern liegt bereits vorher vor und senkt die Toleranz, die dem entsprechenden Nachbarn entgegengebracht werden kann. Mitunter eines der wichtigsten Bestandteile ist jedoch mangelndes Verständnis für die Situation des jeweils anderen, was in der Regel die bekannten „verhärteten Fronten“ und eine äußerst geringe Kompromissbereitschaft zur Folge hat.


Schiedsmänner/-frauen und vergleichbare Vermittler

Die Justitia gilt als Personifikation der Gerechtigkeit.Um vor allem am letzten und prinzipiell entscheidendsten Punkt anzusetzen, schreiben viele Bundesländer Einigungsversuche vor, die einem Gerichtsverfahren vorangehen müssen. Dabei zählt verständlicherweise nicht das Diskutieren am Gartenzaun, sondern die Hinzunahme einer vermittelnden Partei. Hierfür kommen sogenannte Schiedsämter in Frage, welche einen neutralen Sachkundigen mit der Bestandsaufnahme und meist auch Mediatoren-, also Streitvermittlungs-Funktion, betraut. Verbände wie der BDS (Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V.) bieten ausführliche Informationen wie auf ihrer Webseite an und stellen für viele dieser Ehrenamtsträger einen Dachverband dar.

In Baden-Württemberg, Bayern und Bremen sind statt Schiedsämtern die Gemeinden bzw. Amtsgerichte als Vergleichsbehörde zuständig. Hinzu kommen unter Umständen noch anders bezeichnete, vom Prinzip her vergleichbare Möglichkeiten wie beispielsweise das „Güterichterverfahren“, wie es in Bayern genannt wird und hier im Detail ersichtlich ist. Schiedsmänner und -frauen werden je nach Region oder Land übrigens stattdessen Friedensrichter oder Schlichter genannt.


Meist mangelt es an einer gültigen Beweissammlung

Oft lässt sich das Problem zum einen nicht durch die oben genannten Möglichkeiten lösen und zum anderen auch nicht auf gerichtlich anerkannten Wegen beweisen. Auch kann unklar sein, wer für entstandene Schäden, Bedrohungen oder üble Nachrede verantwortlich ist. Ein Beispiel ist der folgende Fall, in dem im oberpfälzischen Amberg (Bayern) des Öfteren über Nacht erhebliche Beschädigungen auf dem Grundstück der Betroffenen eingetreten sind. Neben verätzten Pflanzen und Verklebungen an Rollläden und Briefkasten mit Bauschaum, gab es mehrmonatig noch weitere Übergriffe. Da dem verdächtigten, bereits mit ihnen im Streit befindlichen Nachbarn jedoch nichts nachgewiesen werden konnte, beauftragen sie eine Detektei mit der nächtlichen Observation des Geländes und der Beweissammlung. Nach drei ereignislosen Nächten kam es in der vierten zu einer erheblichen Überraschung: Der hierbei überführte Nachbar war gar nicht der bislang Verdächtigte, sondern ein anderer. Um seiner Tochter und seinem Schwiegersohn nach seiner Verwitwung in dessen Nachbarhaus einziehen zu lassen, fragte der 75-Jährige bei den betroffenen Nachbarn bereits mehrmals erfolglos für den Kauf an – Die Übergriffe sollten diese also zum Verkauf bewegen. Nach der Überführung per Videoaufzeichnung willigte der Schuldige ein, die Kosten für die Detektei zu übernehmen, um eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden.

Die juristische Literatur ist sehr umfangreich.Doch es gibt noch weitere Situationen, in denen der Schuldige nicht näher bekannt ist. Im Falle von Stalking, Mobbing, übler Nachrede oder auch anonymen Drohbriefen, kann ein Eingriff durch Polizei und Gerichte oftmals nicht erfolgen, da es an einer Beweislage oder zumindest an Indizien für einen Gesetzesverstoß mangelt. Mit anderen Worten: Ein Stalker kann so lange nicht angezeigt werden, wie er nicht identifiziert oder ihm ein Verbrechen nachgewiesen werden kann. Selbst wenn also die Identität festgestellt wurde, muss erst ein Verhalten vorliegen, der eine Strafverfolgung legitimiert. Für die oben genannten Fälle können Detekteien ebenfalls eine Beweisaufnahme oder auch eine Rückverfolgung durchführen, mit denen gegebenenfalls anschließend vor Gericht gezogen werden kann.
Manchmal kann es dazu kommen, dass die Rechtslage bei Nachbarschaftsstreitigkeiten oder anderen Konflikten sehr kompliziert und für Laien nicht durchschaubar ist. Für diesen Fall können zum einen Rechtsanwälte und -auskünfte befragt werden, was jedoch ohne eine bereits bestehende Rechtsschutzversicherung schnell teuer werden kann und zum anderen können manche Verbraucherzentralen zu Rate gezogen werden. Manche dieser Zentralen lehnen eine Beratung für Nachbarschaftsstreits ab, während die meisten immerhin eine Auskunft über die jeweils zur Verfügung stehenden Ansprechstellen geben. Für grenzübergreifende Fälle ist übrigens das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland zuständig. Hinzu kommen auch hier wieder die Schiedsämter, die in der Regel entweder selbst beraten oder eben entsprechende Beratungsstellen empfehlen können.


Fazit

In jedem Fall gilt: Wer im Nachbarschaftsfall vor Gericht zieht, kann auch wenn er Recht hat, ein für ihn nachteiliges Urteil erreichen, wenn die Beweislage nicht ausreicht und die Sachlage vorher nicht ausreichend geprüft wird. Eine außergerichtliche Einigung – falls irgend möglich – oder aber zumindest eine vernünftige Vorbereitung hinsichtlich in Betracht kommender Beweise und rechtlicher Prüfung sind daher grundsätzlich sinnvoll.

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